Die schweizerische Landesausstellung in Bern hat den Zweck, einen Ueberblick über das tätige Leben des Landes auf allen Gebieten zu geben. Es ist keine Spezialität, kein Sonderinteresse eines Standes, einer Gegend, einer Industrie, das diese Ausstellung ins Leben gerufen hat, sondern der Wunsch, die Gesamtheit der Leistungen aller Stände und Erwerbsarten in möglichster Anschaulichkeit und Uebersichtlichkeit vorzuführen. Von der Landwirtschaft bis zur industriellen Technik, vom Handwerk bis zur Kunst sind alle tätigen Kräfte der Gegenwart an diesem grossen Bilde beteiligt. Handwerke und Unternehmungen der verschiedensten Art, welche sich sonst im Leben kaum kennen und berühren, tragen hier gemeinsam dazu bei, ein festliches Bild von der Arbeit eines ganzen Volkes aufzustellen, und jeder Volksgenosse, jeder teilnehmende Ausländer ist eingeladen, diese festliche Schau zu besuchen und sich mit am Anblick der Ergebnisse so vielfältiger Arbeit zu freuen. Eben weil die Landesausstellung keinen einzelnen Zweig einheimischer Produktion einseitig betont, wird jeder am Wohl der Heimat teilnehmende Schweizer her etwas zu lernen, etwas zu beschauen und zu bewundern, vieles zu vergleichen linden. Und das ideale Ziel ist dies, dass jeder, auch wenn er im Einzelnen und Fachlichen kritisieren mag, vom grossen Ganzen doch den Eindruck gewinnen möge, dass er in einem vielfach und glücklich tätigen Lande und inmitten einer strebsamen und kraftvollen Arbeitswelt lebe.
Diesen Eindruck zu geben, ist der eigentliche Sinn einer solchen grossen Veranstaltung. Auch diese einleitenden Worte können sich nur mit dem tieferen Sinn, dem idealen Ziel des Ganzen befassen. Was jeder einzelne Besucher für sein Fach, für seine persönliche Arbeit hier zu sehen und zu lernen finde, wird er zumeist im voraus wissen, und spezielle Führer durch die einzelnen Abteilungen werden ihm das Suchen erleichtern. Hier soll nur die Rede von dem sein, was jeder, auch der persönlich zunächst ganz uninteressierte Besucher der Ausstellung hier linden und lernen kann. Es ist, wie wir hoffen, nicht wenig. Denn es soll ja nicht nur der Landwirr seine Produkte, der Uhrmacher seine Uhren, der Ingenieur seine Maschinen hier ansehen; vielmehr soll jeder vor allem einen Gesamteindruck von dem haben, was das Vaterland zurzeit leistet und hervorbringt; es soll jeder auch der Arbeit und Erfolge des Andern sich freuen, und es soll ein Jeder lernen, dass er seine Tätigkeit nicht nur für sich und seinem Vorteil allein, sondern als Mitarbeiter an einem grösseren Werke ausübt.
So betrachtet, ist unsere Ausstellung ein Fest im besten Sinne des Wortes. Sie bedeutet ein einmaliges festliches Zusammenfassen vieler sonst zerstreuter, ja oft feindlicher Kräfte, ein Unterordnen des einzelnen Berufs, des einzelnen Standes unter die Gesamtheit der heimischen Leistungen und Bestrebungen. Was ein vielseitig interessierter Einzelner etwa auf einer Reise durch sein Vaterland sehen und studieren kann, |
die Art und das Gedeihen der einzelnen Beschäftigungen, Handwerke und Industrien was ein solcher Reisender durch hundert Gänge, hundert Fragen und Gespräche, hundert Blicke in Werkstätten und Märkte unvollkommen und lückenhaft sich erwerben kann: ein gedrängtes Bild vom Leben und von der Arbeit seines Volkes, das wird hier dem, der sehen will, auf kleinem Raume dargeboten.
Niemand wird hier alles sehen, alles studieren, alles verstehen können! Jeder aber wird, von seinem Standpunkte aus, sich über den Reichtum an Kräften und Produkten freuen und jeder wird, wenn ihm der tiefere Sinn eines solchen Festes, einer solchen Ueberschau aufgeht, für sich daraus wertvolle Schlüsse ziehen können. Wer um die Zukunft zu sorgen gewohnt ist, der wird mit Befriedigung feststellen, dass nicht nur in der soliden Landwirtschaft und in den grossen Wasserkräften Garantien für die Zukunft des Landes liegen, sondern dass auch Arbeitsamkeit und Unternehmungslust des Volkes ungeschwächt bestehen.
Es ist nicht nur Stolz und Selbstbewusstsein, was aus einer solchen Zurschaustellung der Produkte eines ganzen Landes spricht. Es ist vor allem der Wille zum Gemeinsinn, der Wunsch sich einander zu zeigen und einander kennen zu lernen, was hier die Gewerbe aller Art zueinander führt. Es ist ein freundschaftliches Stelldichein der Arbeitsamen und Tüchtigen. Sie wollen einmal, in einem festlichen Ausnahmefall, einen tröstlichen Blick über die Enge der täglichen Werkstatt hinaus tun; sie wollen einmal etwas von der Welt sehen, für die sie beständig arbeiten. Es ist für jeden Arbeitenden ein Bedürfnis, den Wert der eigenen Tätigkeit bestätigt zu sehen, teilzuhaben am gemeinsamen Umsatz der Kräfte, ermunterndes Lob zu hören und selber wieder fremde Leistung anzuerkennen. Arbeit soll nicht nur Lohn bringen, sondern auch Freude und Befriedigung geben, und die kommt nirgends besser zum Ausdruck als da, wo ein ganzes Volk die Ergebnisse seines Fleisses vorzeigt, wo in frohem Wettstreit jeder Beruf, jede Begabung ihre Früchte darbringen. Nicht die Schönheit oder Fruchtbarkeit des Landes, nicht die Taten ferner Vorväter sind es, aus denen ein gesundes Volk vor allem seinen Stolz und seine Freude schöpft, sondern die Tüchtigkeit der eigenen Leisrungen.
Dass die Landesausstellung in Bern stattfindet, in der schönen charaktervollen Stadt der Lauben und Brunnen, und dass man von der Ausstellungswiese den herrlichen Blick auf die Oberländer Berge hat, gibt dem Ganzen eine Schönheit mehr und wird viele locken. Dass die Modernität und Betriebsamkeit der grossen Ausstellung nicht allzu sehr mit dem ruhig vornehmen Charakter der alten Stadt in Widerspruch gerate, darum hat sich der Verband für Heimatschutz ganz besonders bemüht. Es ist für diese Ausstellung viel redliche und selbstlose Arbeit getan worden, wir bauen darauf die Hoffnung eines idealen Erfolges.
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